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JÜDISCHE WELT VERSTEHEN
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Die ersten Lebensjahre Einführung
Das Judentum ist mehr als eine Religion, es ist eine Lebenswei-se. Über Jahrhunderte hin hat es Verhaltensregeln geschaffen,die größtenteils im Schulchan Aruch (jüdischer Gesetzeskodex)zusammengefaßt sind. In diesen Gesetzen steht, wie sich einJude von morgens, wenn er seine Augen öffnet, bis abends,wenn er sie wieder schließt, verhalten soll.
Der Schulchan Aruch verlangt, daß jemand am Morgen nach
dem Aufstehen keine „vier Ellen“ gehen darf, ohne sich vorherdreimal (mit einer bereitliegenden Schöpfkelle) abwechselndauf jede Hand Wasser gegossen zu haben (um die bösen Geisterrestlos zu vertreiben, die während des nächtlichen Schlafes inden Körper eingedrungen sind). Wenn auch manche Juden dieseVorschriften noch befolgen, so wissen die meisten gar nichtmehr, daß es sie überhaupt gibt. Den meisten Juden käme esdaher gar nicht in den Sinn, Fragen über solche Bräuche zustellen.
Fragen, die Juden heute über die ersten Lebensjahre stellen,
beziehen sich auf die Beschneidung (berit)1 und auf die „Auslö-sung des Sohnes“ (pidjon ha-ben)2.
Ausführlich befassen sich Juden auch in unserer Zeit mit der
Frage, welche Vornamen sie ihren Kindern geben sollen. Wann,wo und wie erhält ein Kind seinen Namen? Gibt es Einschrän-kungen bei der Wahl eines Vornamens?
Von diesen und weiteren Fragen nach dem Zeremoniell bei
der bar-mizwa, der bat-mizwa und dem neuen Brauch derKonfirmation handelt das vorliegende Kapitel.
1 Eigentlich berit mila; berit bedeutet „Bund“.
2 Oder pidjon bechor, Auslösung des Erstgeborenen.
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1.1 Warum ist die Religion der Mutter der entscheidende Faktor bei der Bestimmung der Religion des Kindes?
Nach jüdischem Gesetz ist ein Kind Jude, wenn die Mutter Jü-din ist. Ein Kind wird als nichtjüdisch angesehen, wenn seineMutter keine Jüdin ist. Die Regel, daß hierbei der Vater keineRolle spielt, wurde getroffen, weil man sicher weiß, wer dasKind geboren hat, während die Vaterschaft gelegentlich fraglichist. 1.2 Warum wird ein Kind, das von einer Jüdin geboren wurde, weiterhin als Jude betrachtet, wenn seine Mut- ter zu einer anderen Religion konvertiert?
Ein Kind, das von einer Jüdin geboren wurde, wird als Jude be-trachtet, unabhängig davon, was seine Mutter oder sein Vaterspäter tun. Die Zugehörigkeit des Kindes zum Judentum wirdals sein natürliches Recht angesehen, das ihm durch Handlun-gen eines Elternteils nicht streitig gemacht werden kann. 1.3 Warum findet in der Freitagnacht nach der Geburt ei- nes Knaben eine Feier statt?
Das Schalom Sachar (Gruß dem Männlichen) oder Ben Sachargenannte Fest hat seinen Ursprung in der Kabbala. Bei dieserfeierlichen Begrüßung des männlichen Neugeborenen versam-meln sich nahe Verwandte und Freunde im Haus der Eltern desKindes, um das Ereignis zu feiern. Gegessen wird unter ande-rem gekochtes Gemüse, dem man eine Zauberwirkung zumSchutz gegen jene Geister und Dämonen zuschreibt, die demKind schaden könnten.
Bei den sephardischen3 Juden findet der Schalom Sachar in
3 „Sephardim“ (hebr. Sefarad = Spanien), nennt man die Juden aus den Mit-
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der Nacht vor der Beschneidung statt. Sie glauben, daß die An-wesenheit einer Menschengruppe den Teufel abschreckt, der dieJuden daran hindern möchte, den Beschneidungsritus einzuhal-ten. Die aschkenasische4 Gemeinschaft glaubt nicht daran undfeiert den Schalom Sachar am Freitagabend nach der Geburt. 1.4 Warum wird ein jüdisches Kind männlichen Ge- schlechts beschnitten?
Die Beschneidung ist ein grundlegendes, in der Bibel vorge-schriebenes jüdisches Gesetz: Jeder Sohn einer jüdischen Fraumuß am achten Tag nach seiner Geburt beschnitten werden.
Das hebräische Wort für Beschneidung heißt berit, was
„Bund“ bedeutet und sich auf den Bund bezieht, den Gott mitAbraham geschlossen hat (1. Buch Mose 17,2); er versprichtAbraham, ihn zu segnen und ihn fruchtbar zu machen, wenn erihm dafür treu ist („Wandle vor mir und sei fromm“). DerBund wird durch den Akt der Beschneidung besiegelt, auf he-bräisch ot berit, „Zeichen des Bundes“.
Im 1. Buch Mose 17,11 wird die Vereinbarung mit folgenden
Worten festgehalten: „Eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Dassoll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch.“ Die-ser Absatz endet mit den Worten: „Wenn aber ein Männlichernicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottetwerden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat.“
Der Historiker Josephus Flavius (1. Jahrhundert u. Z.) und
die meisten Gelehrten der nachfolgenden Epochen haben her-vorgehoben, daß der Beschneidungsritus die NachkommenAbrahams wahrscheinlich mehr als alles andere von fremdenIdeologien und vom Götzendienst ferngehalten und die Einheitder Juden im Dienste Gottes bewahrt hat.
4 Die Aschkenasim stammen aus Ost- und Mitteleuropa.
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1.5 Warum führt üblicherweise ein mohel die Beschneidung
Der Mann, der die Vorhaut entfernt, heißt auf hebräischmohel5. Eigentlich darf jeder qualifizierte Jude, der chirurgischeKenntnisse besitzt und die entsprechenden Segenssprüche auf-sagen kann, die Beschneidung vornehmen; der mohel ist einSpezialist, der die Operation ebenso fachmännisch durchzu-führen versteht wie jeder Chirurg. Kann der Vater die Be-schneidung selbst vornehmen, darf er die Aufgabe keinem an-deren überlassen. 1.6 Warum dürfen Frauen die Beschneidung nicht durch- führen?
Ursprünglich war es Aufgabe des Vaters, sein Kind zu be-schneiden. Das erste Vorbild war Abraham, der Isaak beschnitt,als dieser acht Tage alt war (1. Buch Mose 21,4). Später über-nahm ein professioneller mohel die Aufgabe, der – als Vertre-tung des Vaters – männlichen Geschlechts sein mußte.
Aber die Frau von Moses, Zippora, hat doch ihren Sohn be-
schnitten (2. Buch Mose 4,25)? Hierauf antwortet der Talmud(Aboda Zara 27a), daß sie die Beschneidung nicht zu Ende ge-führt habe, sondern daß Moses dies selber tat. Mit diesem Hin-weis erklären die Rabbinen die Beschneidung zu einer Pflichtdes Vaters, die nicht von einer Frau übernommen werden darf. Allerdings haben rabbinische Sachverständige später erklärt,daß eine Frau dann eine Beschneidung vornehmen darf, wennkein geeigneter jüdischer Mann zugegen ist.
5 Von hebräisch lamul, rituell beschneiden.
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1.7 Warum lassen die meisten Juden die Beschneidung lie- ber von einem mohel vornehmen als von einem Arzt?
Wenn auch ein mohel nicht Medizin studiert hat, so ist er dochein Spezialist, der auf seinem Gebiet über mehr Erfahrung ver-fügt als jeder Arzt. Im englischen Königshaus besteht die alteTradition, daß alle Knaben königlicher Herkunft vom Londo-ner jüdischen mohel beschnitten werden. 1.8 Warum legt der mohel in der Nacht vor der Beschnei- dung manchmal das Skalpell unter das Kopfkissen des Säuglings?
Ursprünglich wurde das Skalpell nur freitags vor Einbruch derDunkelheit unter das Kopfkissen gelegt, wenn die berit am Sab-batmorgen, an dem es verboten war, etwas zu transportieren,stattfinden sollte. Im 16. Jahrhundert breitete sich dieser Brauchauf alle Wochentage aus. Dahinter standen die Kabbalisten(Mystiker) mit ihrem Glauben, daß Neugeborene von Dämo-nen angegriffen würden, die sich indessen vor Messern undähnlichen Gegenständen fürchteten. Heute kennt man diesenBrauch kaum noch. 1.9 Warum darf eine Beschneidung auch an einem Sabbat oder an Jom Kippur vorgenommen werden?
Die Beschneidung gilt als das wichtigste aller Gebote. Im Tal-mud erklären die Rabbinen, daß die Beschneidung Vorrang vorallen übrigen Geboten der Thora habe; darum ist keine Aus-nahme vom Gesetz der Bibel erlaubt. Die Beschneidung mußam achten Tag nach der Geburt eines männlichen Kindes vorge-nommen werden, auch wenn sie auf einen Sabbat oder auf JomKippur fällt. Sie darf nur aus gesundheitlichen Gründen ver-schoben werden.
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1.10 Warum finden Beschneidungen in Ausnahmefällen auch nach dem achten Lebenstag statt?
Ist ein Kind nicht gesund oder zu früh geboren, wird die Be-schneidung verschoben, bis keine Gefahr mehr für den Säuglingbesteht. Nach der Genesung müssen noch einmal sieben Tagevergehen, ehe der Ritus vollzogen werden darf; denn der Tagseiner Genesung wird als Tag seiner Geburt angesehen. 1.11 Warum lassen sich Juden manchmal erst als Erwachse- ne beschneiden?
Wenn Juden nicht im Kindesalter beschnitten worden sind,müssen sie es später nachholen, wenn sie der jüdischen Ge-meinschaft im vollen Sinn angehören wollen. Auch Männer, diezum Judentum übertreten wollen, müssen sich beschneiden las-sen. 1.12 Warum sind manche Juden gegen die Beschneidung?
Im 19. Jahrhundert setzte sich eine führende Gruppe von Re-formjuden für die Abschaffung der Beschneidung ein und er-klärte sie für veraltet und barbarisch; doch die Aussicht auf eineAbschaffung stieß bei der Reformbewegung als Ganzes auf ent-schiedene Ablehnung.
Heutzutage betrachten alle religiösen jüdischen Gruppierun-
gen die Beschneidung als einen wichtigen religiösen Ritus, ob-wohl es Individualisten gibt, die dagegen sind, weil sie einetraumatische Erfahrung für die Kinder befürchten. Nur wenigeärztliche Fachleute stimmen dem zu; man weist auf die Millio-nen und Abermillionen Juden und Nichtjuden hin, die ohneSchaden beschnitten worden sind.
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1.13 Warum wird in der Nacht vor der berit an der Wiege des Säuglings gewacht?
In vielen europäischen Gemeinden war es üblich, die sogenann-te „Wachnacht“ abzuhalten. Es wurden Schulkinder eingeladen,die zusammen mit den Erwachsenen um die Wiege standen unddas Gebet des Schema6 aufsagten; die Erwachsenen verbrachtendie ganze Nacht lernend. Dieser Schutzkreis ist kabbalistischenUrsprungs wie viele andere jüdische Bräuche auch und sollteursprünglich gegen böse Geister schützen. 1.14 Warum gibt es bei der Beschneidung einen sandak?
Vor dem 10. Jahrhundert fand die Beschneidung zu Hause statt,und die beiden wichtigsten Teilnehmer waren der mohel undder Vater. Später wurde die Zeremonie in die Synagoge verlegtund fand nach der Morgenandacht und in Gegenwart derganzen Gemeinde statt. Um einen nahen Freund oder einenVerwandten zu ehren, zog man einen dritten aktiven Teilneh-mer hinzu, den sandak, ein Titel, der sich von dem griechischenWort für „Pate“ herleitet. Der sandak assistiert dem mohel undhält das Kind während der Beschneidung auf seinem Schoß. Man nennt ihn auch baal berit, „Herr der Beschneidungszere-monie“, weil er im Mittelpunkt sitzt. 1.15 Warum sind der „Kvater“ und die „Kvaterin“ bei der Beschneidungszeremonie zugegen?
Seit dem Mittelalter wurden außer dem Vater, dem mohel unddem sandak noch zwei weitere Personen mit der Einladung zurBeschneidungsfeier geehrt: der „Kvater“ und die „Kvaterin“,
6 Schema Jisrael, „Höre Israel“, ein Gebet (5. Buch Mose 6,4-9; vgl.: 11,13-21;
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gewöhnlich ein Ehe- oder ein Geschwisterpaar. Da sie dem san-dak zur Seite stehen, gelten auch sie als Pate und Patin des Kin-des.
Es heißt, das Wort „Kvater“ setze sich aus dem hebräischen
Buchstaben kaf und dem deutschen Wort Vater zusammen,wobei kaf als Vorsilbe soviel wie „als“ bedeute. Ursprünglichist das Wort wohl aus dem deutschen „Gevatter“ gebildet wor-den, „Kvater“ und „Kvaterin“ entstammen dem polnischen Jid-disch.
Während der Beschneidungsfeier übernimmt die „Kvaterin“
das Kind von der Mutter und gibt es an den „Kvater“ weiter. Der „Kvater“ reicht es dem Vater, der Vater übergibt es demsandak, der auf einem für ihn bereitgestellten Sessel sitzt. DieZwischenstationen sind notwendig, weil der Ehemann das Kindnicht unmittelbar aus den Händen der Mutter nehmen darf, da sich die Mutter noch von der Niederkunft her im Zustandder Unreinheit befindet (wie im 3. Buch Mose 12,1-5 nachzule-sen ist). 1.16 Warum wird während der berit ein Platz für Elias freigehalten?
Bei der Beschneidungszeremonie wird neben dem Platz dessandak ein Platz für den Propheten Elias freigehalten. Traditio-nell glaubt man, daß er bei jeder berit zugegen ist, um das Kindvor Gefahren zu schützen.
In manchen Synagogen, besonders in den orientalischen Ge-
meinden, steht ebenfalls immer ein freibleibender Sitz für Eliasbereit. Um sicher zu sein, daß sich niemand daraufsetzt, wirdder Stuhl manchmal hoch oben an die Wand gehängt. 1.17 Warum findet die Zeremonie pidjon ha-ben statt?
Nach dem 2. Buch Mose 13,1-2 gehört der Erstgeborene einerMutter dem Ewigen, oder genauer gesagt, dem kohen (Priester),
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der den Ewigen vertritt. Will man einen männlichen israeliti-schen Erstgeborenen von seiner Verpflichtung entbinden, seinLeben dem Dienst des Ewigen zu weihen, muß man ihn mitfünf Schekalim (fünf Silberdollar) vom kohen auslösen.
Die Auslösungszeremonie, die noch heute stattfindet, heißt
pidjon ha-ben („Auslösung des erstgeborenen Sohnes“). Sie sollausgerichtet werden, wenn das Kind einen Monat alt ist, am ei-nunddreißigsten Tag nach der Geburt (wobei der Tag der Ge-burt als erster Tag gerechnet wird), sofern der einunddreißigsteTag nicht auf einen Sabbat oder einen jüdischen Feiertag fällt. Dann wird die Zeremonie auf den nächsten Tag verschoben. Der einunddreißigste Tag wurde wahrscheinlich deshalb ausge-wählt, weil man annahm, daß ein Kind, das seinen ersten Monatüberlebte, gute Aussichten hatte, gesund zu bleiben.
1.18 Warum braucht der männliche Erstgeborene eines kohen (Priester) oder eines lewi (Levit) keinen pidjon ha-ben?
Der ursprüngliche Zweck des Auslösungszeremoniells (pidjonha-ben) bestand darin, den männlichen Erstgeborenen eines Is-raeliten von der Pflicht zu entbinden, sein Leben dem Dienstim Tempel zu weihen. Da die Priester und die Leviten ohnehinim Tempel dienen mußten (und davon nicht befreit werdenkonnten), galt das pidjon ha-ben für sie nicht. Die Auslösungs-zeremonie ist heute noch üblich. 1.19 Warum findet der pidjon ha-ben nicht am Sabbat oder an einem Hohen Feiertag statt?
Da der Vater während des pidjon ha-ben dem Priester (kohen)Geld übergibt (der Vater muß ja fünf Schekel für die Auslösungseines Sohnes zahlen), darf die Zeremonie nicht an einem Sab-bat oder Festtag stattfinden, da an diesen Tagen alle Geschäfteverboten sind.
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1.20 Warum ist ein pidjon ha-ben nicht erforderlich, wenn das Kind durch einen Kaiserschnitt auf die Welt ge- kommen ist?
Das Gesetz schreibt vor, daß ein pidjon ha-ben nur dann gefei-ert wird, wenn das Kind auf natürlichem Wege aus der Gebär-mutter (peter rechem) kommt, wie es im 2. Buch Mose 13,2steht. Bei einem Kaiserschnitt ist diese Bedingung nicht erfüllt. 1.21 Warum ist ein pidjon ha-ben für ein erstgeborenes männliches Kind nicht erforderlich, wenn die Mutter zuvor eine Fehlgeburt erlitten hat?
Damit ein Kind als Erstgeborenes im biblischen Sinne des Wor-tes gilt, muß es der erste Fetus aus dem Schoß seiner Muttersein. 1.22 Warum ist für manche Waisen kein pidjon ha-ben er- forderlich?
Wenn der Vater vor der Geburt eines männlichen Erstgebore-nen stirbt und die Mutter sich in Geldnot befindet, wird es fürungerecht erachtet, wenn ihr Haushalt mit der Zahlung der er-forderlichen fünf Schekel (Silberdollar) belastet würde. Deswe-gen braucht sie ihren Sohn nicht auszulösen. Manche Schrift-gelehrte sind der Auffassung, daß der Knabe sich später selbstauslösen muß. 1.23 Warum wird einem Mädchen der Name in der Synago- ge gegeben, während der Junge seinen Namen bei der berit erhält?
Die berit ist das wichtigste religiöse Ereignis im Leben eines jü-dischen Jungen, und darum erhält er seinen Namen während
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der Beschneidungszeremonie. Für Mädchen ergibt sich die ersteGelegenheit zur Namensgebung bei der ersten Sabbatfeier nachihrer Geburt, weil dann ein minjan7 versammelt ist. Bei diesemGottesdienst wird der Vater mit einer alija8 geehrt, und an-schließend erhält die Tochter ihren Namen.
Die Namengebung kann auch montags oder donnerstags bei
der Morgenandacht sowie an Rosch Chodesch (Neumondfest)vorgenommen werden, da an diesen Tagen ebenfalls aus derThora vorgelesen wird. Bei der Namengebung für Jungen undMädchen wird der Name des Neugeborenen zusammen mitdem Namen des Vaters bei den Segenssprüchen genannt.
Heutzutage wird in manchen Gemeinden auch der Name der
1.24 Warum erhalten jüdische Kinder gewöhnlich nicht den Namen eines lebenden nahen Verwandten?
Ein Kind nach einem lebenden nahen Verwandten zu nennen,ist vor allem bei den Aschkenasim unüblich. Sie stellen eine en-gere Verbindung zwischen Namen und Seele her als die sephar-dischen Juden. Aschkenasische Juden glauben, die Lebensdauereines Menschen würde beeinträchtigt, wenn ein anderes Famili-enmitglied dessen Namen trüge. Die sephardischen Juden (Spa-nien, Nordafrika und Vorderer Orient) vertreten diesen Glau-ben nicht und nennen ihre Kinder nach lebenden nahenVerwandten. 1.25 Warum erhalten Jungen meistens eine umfangreichere jüdische Erziehung als Mädchen?
Traditionell konzentrieren sich die religiösen Pflichten der
7 Deutsch: Zählung; Versammlung von mindestens zehn Männern.
8 Wörtlich: Hinaufstieg; hier: auf den Berg der Verkündigung, d. h. Thoravor-
lesung; heute auch: Einwanderung nach Israel.
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2.27 Warum wird unter dem Traubaldachin die ketuba (jü- discher Ehevertrag) verlesen?
Die im Jahre 80 vor u. Z. von Simeon ben Schetach eingeführteketuba ist die gesetzliche Heiratsurkunde. Auf aramäisch abge-faßt (zu jener Zeit die Sprache des Volkes und des Rechts), ent-hält sie die Pflichten des Ehemannes gegenüber seiner Ehefrauund Regelungen für den Fall seines Ablebens oder einer Schei-dung. Die Pflichten der Ehefrau gegenüber ihrem Mann werdenin der ketuba nicht genannt. Die Urkunde soll vielmehr ihreRechte sichern. 2.28 Warum darf kein naher Verwandter der Braut oder des Bräutigams die ketuba als Zeuge unterschreiben?
Wie in allen juristischen Zusammenhängen dürfen die Zeugenkeine nahen Verwandten der betroffenen Parteien sein. DieseVorschrift ist eine erweiterte Auslegung des 5. Buches Mose24,16, in dem es heißt, daß Väter nicht anstelle der Söhne undSöhne nicht anstelle der Väter bestraft werden sollen.
Aufgrund wichtiger Rechtsfälle wurde diese Vorschrift auf
Zivilverfahren und auf alle Verwandtschaftsverhältnisse ausge-dehnt. 2.29 Warum werden bei der Hochzeitszeremonie zwei ge- sonderte Becher Wein geleert?
Es gibt eine Auslegung, der zufolge die beiden Becher die Freu-de und den Kummer darstellen, denen das Paar in seinem Le-ben ausgesetzt sein wird. Indem beide Eheleute aus beidenBechern trinken, bezeugen sie ihre Bereitschaft, als gleichbe-rechtigte Partner die Ungewißheiten des Lebens miteinander zuteilen.
Die wahrscheinlichste Erklärung ist, daß die Hochzeitszere-
monie sich aus zwei getrennten Zeremonien heraus entwickelt
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hat, die anfangs mit einem Abstand von höchstens einem Jahrgefeiert wurden – ein Jahr, wenn die Braut Jungfrau, einen Mo-nat, wenn sie Witwe war. Die erste Zeremonie hieß Erussin(später Kidduschin genannt), die zweite Nissuin. Erussin war dieVerlobung, ähnlich wie heute bei uns ein Heiratsversprechen; eswurden Gebete aufgesagt, Braut und Bräutigam tranken ge-meinsam einen Becher Wein.
Die zweite Zeremonie, die Nissuin, war die Hochzeit, wäh-
rend der ebenfalls Segenssprüche über einen Becher Wein, ausdem Braut und Bräutigam tranken, gesprochen wurden. DerBrauch, die Segenssprüche über zwei gesonderte Weinbecher zusprechen, besteht weiterhin, obwohl die beiden Zeremonien zu-sammengelegt worden sind. 2.30 Warum wird die ketuba verlesen, nachdem der erste Becher Wein ausgetrunken ist?
Wie oben erläutert, ist die heutige Zeremonie aus zwei getrenn-ten Zeremonien entstanden. Die ketuba wird verlesen, nachdemder erste Becher Wein ausgetrunken ist, wodurch das Ende derfrüheren ersten Zeremonie gekennzeichnet wird. 2.31 Warum steckt der Bräutigam der Braut während der Hochzeitszeremonie einen Ring an den Finger?
In ihrer Urform war die Eheschließung im wesentlichen ein ge-schäftlicher Vorgang: Der Bräutigam „erwarb“ eine Braut, unddas Geschäft wurde durch Zahlung einer Gold- oder Silber-münze besiegelt, die mindestens den Wert einer pruta hatte, derkleinsten Scheidemünze aus talmudischer Zeit.
Wahrscheinlich nahm unter römischem Einfluß ein Ring die
Stelle des Geldstücks ein. Im alten Ägypten und im alten Romwar der Ring ein Insignium der Macht. Die Bibel erzählt, daßPharao, als er Joseph zum Gouverneur über Ägypten machte,diesem einen Ring ansteckte (1. Buch Mose 41,42).
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MONOGRÁFICO. Antonio Moreno González. Las nuevas competencias para el profesor el siglo Las nuevas competencias para el profesor del siglo XXI Antonio Moreno González Sumario: 1. De dónde venimos. 2. A dónde vamos: de la formación de los maestros. De la formación del profesorado de enseñanzas secundarias. 3. A modo de síntesis. Resumen Tras una breve referencia hist