Tabakentwöhnung in der primärärztlichen versorgung -
Tabakentwöhnung in der primärärztlichen Versorgung - Ergebnisse der klinisch-epidemiologischen SNICAS-Studie - Kurzfassung - DISSERTATIONSSCHRIFT zur Erlangung des akademischen Grades Doctor rerum naturalium (Dr. rer. nat.) der Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften der Technischen Universität Dresden Dipl.-Psych. Hoch, Eva Alice geboren am 15.04.1970 in Geislingen / Stg.
Dissertation „Tabakentwöhnung in der primärärztlichen Versorgung“ (Kurzversion)
1. Hintergrund
Der Konsum von Zigaretten gilt als bedeutendstes einzelnes Gesundheitsrisiko und
wichtigste vermeidbare Todesursache in den westlichen Industrienationen. Repräsentative,
epidemiologische Bevölkerungsstudien zeigen, dass der Tabakkonsum in Deutschland auch
heute noch stark verbreitet ist und die Nikotinabhängigkeit zu den am häufigsten
auftretenden psychischen Störungen zählt. Einige dieser Studien veranschaulichen
ebenfalls, dass nur ein geringer Teil der Raucher zu einer aktiven Verhaltensänderung (d.h.
zu einem Rauchstopp) motiviert ist. Obwohl zahlreiche internationale Studien zunehmend die
Effektivität von Entwöhnungsbehandlungen belegen, werden gerade die als am wirksamsten
geltenden Ansätze – professionell geleitete, multimodale Behandlungsprogramme – sehr
selten bei Rauchstoppversuchen in Anspruch genommen. Dieser äußerst bedauerliche
Zustand lässt sich durch einen eklatanten Mangel an entsprechenden Angeboten und
Anbietern erklären. Damit Raucher jedoch schnell und unkompliziert auf effektive
Therapieangebote zugreifen können, wird häufig eine stärkere Einbeziehung der Primärärzte
in die Tabakentwöhnung gefordert. Epidemiologische Daten, auf deren Basis
gesundheitspolitische Entscheidungen getroffen werden könnten, fehlen jedoch
2. Fragestellung
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung der Tabakentwöhnung in der
primärärztlichen Versorgung. Dabei werden im einzelnen folgende Aspekte analysiert: 1.)
Wie häufig sind Rauchen und Nikotinabhängigkeit in der primärärztlichen Versorgung? 2.)
Sind rauchende und nikotinabhängige Hausarztpatienten veränderungsmotiviert? 3.) Wie
wirksam sind pharmakologische und psychologische Tabakentwöhnungstherapien unter den
Bedingungen der primärärztlichen Praxisroutine?
3. Methode
Die Analysen beruhen auf den Daten der SNICAS-Studie (Smoking and Nicotine
Dependence Awareness and Screening), die von November 2001 bis Oktober 2004 an der
Technischen Universität Dresden und am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München
durchgeführt wurde. Es handelt sich dabei um eine zweistufige, epidemiologische
Stichtagserhebung, an die sich in einer dritten Stufe eine klinische Interventionskomponente
anschloss. In Stufe I (Vorstudie) wurde eine repräsentative Stichprobe von 889 Ärzten
(Allgemeinärzte, praktische Ärzte, Internisten) rekrutiert und mittels Praxiserhebungsbogen
hinsichtlich Arzt- und Praxismerkmalen charakterisiert. In Stufe II wurden in diesen Praxen
an einem Stichtag (7. Mai 2002) 28.707 unausgelesene, konsekutive Patienten im Alter von
16 bis 102 Jahren mittels eines Patientenfragebogens untersucht. Für jeden einzelnen
Dissertation „Tabakentwöhnung in der primärärztlichen Versorgung“ (Kurzversion)
Patienten wurde eine standardisierte klinische Beurteilung durch den Hausarzt
vorgenommen. Im Anschluss an die Stichtagserhebung wurde in den Großräumen Dresden
und München eine longitudinale klinische Interventionsstudie durchgeführt. Insgesamt 1.187
Hausarztpatienten wurden mittels festgelegtem Randomisierungsschema zu einer von vier
Behandlungsbedingungen zugeordnet. Für die statistische Auswertung liegen Daten von 467
Teilnehmern (Bupropion: n=108; Nikotinersatzstoffe: n=105; kognitiv-behaviorale Therapie:
n=175; Minimale Intervention: n=81) aus 167 Hausarztpraxen vor. In einer 12-Monats-
Katamnese konnten 402 Probanden telefonisch nachbefragt werden. Alle Messinstrumente
wurden speziell für die Anforderungen dieses Projekts entwickelt oder adaptiert.
Insbesondere die Fragebögen der Vorstudie und der Stichtagserhebung waren so aufgebaut,
dass ihr Einsatz zu keinen größeren Störungen im Arbeitsablauf der Allgemeinarztpraxen
führte. Zur standardisierten Erfassung des Tabakkonsums und der Nikotinabhängigkeit
wurden Items des M-CIDI (Munich-Composite International Diagnostic Interview) sowie der
Fagerström-Test für Nikotinabhängigkeit eingesetzt. Veränderungsmotivation wurde im
Patientenfragebogen mittels eines Stufenalgorithmus (Stadien der Veränderungsmotivation)
und im Arztfragebogen durch Motivationsratings erfasst.
4. Ergebnisse
1.) Wie häufig sind Rauchen und Nikotinabhängigkeit in der primärärztlichen Versorgung?
Die bundesweite Stichtagserhebung zeigt, dass die Mehrzahl der Hausarztpatienten (71%)
im Lebenszeitraum bereits einmal geraucht haben. Der Anteil an aktuellen Rauchern (4-
Wochen-Prävalenz) war deutlich geringer (30%). 14% der Patienten erfüllten die
Diagnosekriterien einer Nikotinabhängigkeit (DSM-IV), die höchsten Abhängigkeitsraten
waren in den jüngsten Alterskohorten zu finden. Der Anteil an regelmäßigen und abhängigen
Rauchern nahm mit steigendem Alter deutlich ab. Dieses Ergebnis ist hauptsächlich auf
einen zunehmenden Anteil an Ex-Rauchern unter den Männern und einen niedrigen Anteil
Frauen, die jemals in ihrem Leben rauchten, zurückzuführen. Junges Alter, Arbeitslosigkeit,
Leben als Single, Scheidung, Trennung oder Tod des Partners waren mit höheren Raten des
Rauchens oder der Nikotinabhängigkeit assoziiert. In 25% der Fälle erkannten die
Primärärzte den Rauchstatus ihres Patienten nicht richtig. Von allen richtig erkannten
Rauchern erhielten nur 56% jemals den Rat zum Rauchstopp bzw. ein beratendes Gespräch
und bei nur 12% wurde zuvor eine höherschwellige Therapie durchgeführt.
2.) Sind rauchende und nikotinabhängige Hausarztpatienten veränderungsmotiviert? Nur 7%
der Raucher waren laut Stufenalgorithmus in den nächsten 30 Tagen zu einem Rauchstopp
bereit (Stadium der Vorbereitung). 28% planten einen Aufhörversuch innerhalb den nächsten
sechs Monate (Stadium der Absichtsbildung), 64% wollten das Rauchverhalten derzeit
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überhaupt nicht verändern (Stadium der Absichtslosigkeit). Auch die Hausärzte schätzten die
Motivation zur Tabakentwöhnung in ihrer rauchenden Klientel als gering ein. Nur jeder
zehnte Raucher wurde als „hochmotiviert“ eingestuft, 47% der Raucher als „moderat“, 42%
als gänzlich unmotiviert. Arzt- und Patientenratings stimmten bei der Einschätzung von
fehlender Veränderungsmotivation relativ gut überein. Große Differenzen gab es jedoch bei
der Beurteilung von hoher Veränderungsmotivation: 80% der von den Ärzten als
„hochmotiviert“ eingeschätzten Patienten befanden sich nicht im Stadium der Vorbereitung.
Gibt es spezifische Merkmale, die änderungsmotivierte Raucher charakterisieren? Die
durchgeführten Analysen zeigen, dass die Variablen „weibliches Geschlecht“ und „starkes
Rauchen“ mit niedrigeren Raten im Stadium der Vorbereitung (Patientenratings) assoziiert
waren, „Trennung vom Partner“ mit signifikant höheren Raten. Bei den ärztlichen
Einschätzungen war ausschließlich die Variable „Alter“ mit hoher Veränderungsmotivation
assoziiert. Während multimorbide (>=4 Erkrankungen) Raucher sich im Stufenalgoritmus als
besonders veränderungsmotiviert zeigten, war eine solche Assoziation in den Arztratings
nicht zu erkennen. Beide Motivationsskalen stimmten jedoch darin überein, dass
„regelmäßiges, nichtabhängiges Rauchen“ mit geringeren Raten an hoher
Veränderungsmotivation assoziiert war und „mehrfach durchgeführte Rauchstoppversuche“
3.) Wie wirksam sind pharmakologische und psychologische Tabakentwöhnungstherapien
unter den Bedingungen der primärärztlichen Praxisroutine? Die longitudinale
Interventionsstudie zeigt, dass strukturierte und kontinuierlich vom Hausarzt durchgeführte
Tabakentwöhnungsmethoden in der Routineversorgung effektiv sind. Mehr als ein Drittel
aller Therapieteilnehmer war am Ende der Behandlung rauchfrei. In der 12-Monats-
Katamnese gab ein Viertel der Befragten an, kontinuierlich rauchfrei geblieben zu sein. Alle
Therapiebedingungen, die im Rahmen der Studie eingesetzt wurden, zeigten sich wider
Erwarten als gleichermaßen wirksam (primäre Ergebnisvariable: vollständige Abstinenz). Die
Hypothese einer Überlegenheit von Therapien mit mehreren Behandlungskomponenten
(Bupropion, Nikotinersatzstoffe, kognitiv-behaviorale Therapie) gegenüber einer minimalen
Intervention (ärztlicher Rat zum Rauchstopp, Nichtrauchertagebücher) konnte nicht bestätigt
werden. Gleichfalls zeigte sich Bupropion, im Vergleich zu der Behandlungsbedingung mit
Nikotinersatzstoffen bzw. der kognitiv-behavioralen Therapie, als nicht wirksamer. Knapp die
Hälfte aller Probanden beendete die Behandlung vorzeitig. Die am häufigsten genannten
Ausfallgründe waren „ungünstiger Zeitpunkt“ und „mangelnde Motivation“. Unter den
Patienten, die ihre Therapie regulär beendeten, waren die Behandlungserfolge deutlich
höher, zwei Drittel waren nach 12 Wochen abstinent. Beim Einsatz medikamentöser
Therapien (Zyban, Nikotinersatzstoffe) traten weder schwerwiegende unerwünschte
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Ereignissen noch Todesfällen auf. Es wurden von den Probanden jedoch die bei der
Einnahme dieser Medikamente bekannten Nebenwirkungen berichtet.
5. Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse dieser Dissertation bestätigen die Schlüsselposition der Primärärzte im
Bereich der Tabakentwöhnung. Sie haben im Praxisalltag Kontakt zu einer hohen Anzahl
von rauchenden und insbesondere nikotinabhängigen Patienten. Angesichts der moderaten
Erkennens- und geringen Behandlungsraten von Rauchern wird jedoch deutlich, dass der
Anspruch einer flächendeckenden Tabakentwöhnung aktuell nicht durch die Hausärzte
eingelöst werden kann. Neben einer Vielzahl von strukturellen Barrieren, erschwert
insbesondere ein immenser Mangel an Veränderungsmotivation der rauchenden Klientel die
Durchführung von Entwöhnungen. Dies ist äußerst bedauerlich, da sich die von Hausärzten
eingesetzten Tabakentwöhnungsmethoden in der klinischen Interventionsstudie als
prinzipiell wirksam erwiesen hatten. Damit eine entsprechende Veränderungsmotivation
aufgebaut werden kann, sollten Ärzte kontinuierlich motivierende Interventionen einsetzten.
Eine routinemäßige Motivationsdiagnostik mittels kategorialem Stufenalgorithmus kann
jedoch, aufgrund der vorgefundenen methodischen und konzeptionellen Schwächen, nicht
uneingeschränkt empfohlen werden. Offen bleibt die Frage, wie groß der Anteil an
Hausärzten ist, der eine solche intensivierte Motivierungs- und Entwöhnungsarbeit in der
medizinischen Grundversorgung tatsächlich leisten kann und will. Damit sich die
Versorgungssituation von Rauchern in Deutschland substantiell verbessern kann, genügt es
nicht, den Hausärzten die Kernaufgaben zu übertragen. Hierzu ist eine Vielzahl von
gesundheitspolitischen Maßnahmen erforderlich (z.B. verstärkte ärztliche Fort- und
Weiterbildung, stärkere Vernetzung zwischen Hausärzten und
Tabakentwöhnungsspezialisten, Kostenübernahme durch Krankenkassen und
Rentenversicherungsträger), die im Rahmen einer nationalen Tabakkontrollpolitik aktiv
PAUL R. HUTSON CURRICULUM VITAE CORRESPONDENCE ADDRESS: TELEPHONE: ACADEMIC DEGREES: 1975 Biochemistry, U.C.L.A., Los Angeles, California1976 Chemistry, University of Washington, Seattle, Washington1979 Pharmacy, University of Washington, Seattle, Washington1981 University of Tennessee Center for the Health Sciences, Memphis, Tennessee LICENSURE: Wisconsin (Pharmacist, #11276)
Hoe kunnen we begrijpen welke betekenis de Rijksoverheid geeft aan alternatie- De praktijk van de gezondheidsgezondheidszorg kan daarom worden opgevat als een strijdtoneel, waar betekenissen worden geïnterrumpeerd en ondersteund en waar dominantieverhoudingen tot stand komen. De gezondheidsgezondheidszorg is een praktijk van voortdurende constructie van betekenissen van ziekte en de gezond