Tabelle 2: antiretrovirale stoffklassen, substanzen und dosierung
Antiretrovirale Medikamente Stand März 2011 Was ist neu? Zerit (Stavudin): Die Herstellerfirma BMS schränkt im März 2011 in einem „Rote Hand Brief“ an Ärzte und Apotheker das Anwendungsgebiet für Zerit® (Stavudin) aufgrund potenziell schwerer Nebenwirkungen ein. Stavudin soll nur noch dann verordnet werden, wenn keine andere Therapiemöglichkeit besteht. In Stu- dien trat eine Stavudin-assoziierte Laktatazidose (Übersäuerung des Blutes mit Milchsäure) bei bis zu 1% aller Patienten auf. Die Sterblichkeit bei Laktatazidose ist hoch (30-50%). Zudem ist das Risiko für eine Lipoatrophie (Schwund des Fettgewebes v.a. im Gesicht und an den Armen und Beinen) und das Risiko für Nerven- schäden hoch. Neu sind die Erkenntnisse nicht, in Industrieländern wird Stavudin seit Jahren nur noch zurückhaltend eingesetzt. Die von BMS zitierte Literatur stammt von 2006-2008. In Schwellen- und Entwicklungsländern hingegen wird Stavudin noch häufiger eingesetzt, da alternative Medikamente teurer oder nicht er- hältlich sind. Prezista® (Darunavir): Die europäische Arzneimittelbehörde hat im März 2011 Prezista® nun auch für vorbehandelte Patienten für dieeinmal tägliche Einnahme zugelassen. Zur Therapie von vorbehandelten Patienten sind einmal täglich zwei 400 mg Tabletten Prezista® (also 800mg) mit 100 mg Ritonavir als Wirkverstärker einzunehmen. Bedingungen für die einmal tägliche Einnahme sind, dass keine Resistenz gegen Darunavir vorliegt, die Viruslast unter 100.000 Kopien/ml liegt und die Zahl der Helferzellen bei über 100 CD4-Zellen/ml. Handelsname Wirkstoff Abk Nebenwirkungen1 Besonderheiten Therapie- nahme/ beginn Nahrung? Tag Nukleosidanaloge/ Nukleotidanaloge Reverse-Transkriptase-Inhibitoren NRTI Emtriva® Emtricitabin
Wirkt auch gegen chronische Hepatitis B
Wird in Studien in Kombination mit Tenofovir auch als Saft Prä-Expositions-Prophylaxe (PREP) bei HIV-Negativen erprobt
Lipoatrophie , Blutarmut, Schwindel,
In Industrieländern zurückhaltend eingesetzt (ungüns-
tiges Nebenwirkungsprofil). Als Infusionslösung ggf.
Polyneuropathie (Nervenschäden),
In Industrieländern nur noch selten eingesetzt (un-
Fettleber und Leberfibrose (bindegewebiger
erhöhtes Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko, Leberschaden (portaler Hochdruck)Handelsname Wirkstoff Abk Nebenwirkungen1 Besonderheiten Therapie- nahme/ beginn Nahrung? Tag
TDF Verminderter Knochenaufbau, Nierenschädi-
Nierenfunktion vor Beginn und während der Therapie
Wirkt auch gegen chronische Hepatitis B Wird in Studien auch als Prä-Expositions-Prophylaxe (PREP) bei HIV-Negativen erprobt
d4T Fettleber, Polyneuropathie
In Industrieländern aufgrund schwerer Nebenwirkun-
(Nervenschäden), Lipoatrophie ,
gen (Häufigkeit der Laktatazidose bis zu 1% in Kohor-
Fettstoffwechselstörung, Pankreatitis ,
tenstudien, Sterblichkeit bei Laktatazidose bis 30-
50%) nur noch eingesetzt, wenn keine andere Thera-
Laktatazidose
ABC Hypersensitivitätsreaktion (HSR) mit Fieber
Vor Einsatz des Medikaments wird mit einem Test
und Hautausschlag und Atembeschwerden;
geprüft, ob eine genetische Veranlagung für eine
erhöhtes Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko
Hypersensitivitätsreaktion besteht - dann wird Ziagen
Nicht-Nukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren NNRTI
Intelence®
Nur in Kombination mit geboostetem (s.u. bei „Nor-
vir“) Proteaseinhibitor. Nicht zusammen mit TPV, FPV,
EFV Schwindel, Schlafstörung (lebhafte Träu-
Kann falsch-positive Ergebnisse bei Cannabinoid-
me), Fettstoffwechselstörung, Depression, Suchtests (Drogenscreening z.B. im Straßenverkehr)
erhöhte Suizidneigung, Hautausschlag, Le-
berschädigung (Hepatitis), Gynäkomastie,
Nicht einsetzen bei Frauen mit Kinderwunsch und bei
NVP Hautausschlag, Leberschädigung (Hepatitis) Zur Reduktion des Risikos von Hautausschlägen in
den ersten 14 Tagen der Therapie Einleitungsphase
mit halber Dosis, dann ganze Dosis. Bei Männern mit
> 400 Helferzellen/μl und Frauen mit >250 Helfer-zellen/μl bei Therapiebeginn erhöhte Gefahr von Le-berschädigungen, wenn Viruslast >50 Kopien/ml.
Protease-Inhibitoren PI
Aptivus® Tipranavir Fettstoffwechselstörungen, Durchfall,
Nur in Kombination mit Ritonavir als Booster
Übelkeit, Leberschädigung (Hepatitis), Ge-
IDV Fettstoffwechselstörungen, Fettanreiche-
In Industrieländern praktisch nicht mehr eingesetzt
rung im Bauchraum, Nierensteine, trocke-
(ungünstiges Nebenwirkungsprofil). Als zweimal-Gabe
ne Haut, Durchfall, Übelkeit Gelbsucht, Dia- erhöhtes Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko
Fettstoffwechselstörungen, Durchfall, Übel-
Nur in Kombination mit Ritonavir. Nur mit zweimal tägl. Kapsel
keit, Verlängerung der elektrischen Reizlei-
Einnahme zur Ersttherapie empfohlen, sonst nur als
Antiretrovirale Medikamente auf einen Blick Handelsname Wirkstoff Abk Nebenwirkungen1 Besonderheiten Therapie- nahme/ beginn Nahrung? Tag tung im Herzen (EKG-Veränderung: Verlän-gerung des PR- und QT-Intervalls)
LPV Fettstoffwechselstörungen, Durchfall,
Übelkeit, erhöhtes Herz-Kreislauf-
Fettstoffwechselstörungen, Durchfall, Übel-
Nur in Kombination mit Ritonavir als Booster
keit. Neu auf dem Markt, daher bisher nur
ATV Fettstoffwechselstörungen, Durchfall, Übel-
In Europa – anders als in den USA – nur in Kombina-
keit, Erhöhung des Gallenfarbstoffs (Bilirubin) tion mit Ritonavir als Booster zugelassen
im Blut mit Gelbfärbung der weißen Augen-
Fosamprena- FPV Fettstoffwechselstörungen, Durchfall,
Nur in Kombination mit Ritonavir als Booster zugelas-
Übelkeit, Hautausschlag, erhöhtes Herz-
sen. Einnahme der Tablette unabhängig von Mahlzei-
ten; Einnahme des Safts auf nüchternen Magen
NFV Fettstoffwechselstörungen, Durchfall, Übel-
In Europa einziger Proteaseinhibitor, der ohne Booste- Tablette mit
rung durch Norvir® (Ritonavir) eingesetzt werden
kann. Hohe Tablettenzahl pro Tag. Nur noch wenig
Entry-Inhibitoren
Fuzeon®
ENF Verhärtungen an der Einstichstelle mit erhöh- Fusionsinhibitor. Bekannt auch als T20.
ter Empfindlichkeit (Hypersensitivität), erhöh- Medikament wird unter die Haut (subcutan) gespritzt
MVC Hepatitis mit Erhöhung der Leberwerte, er-
Blockt den CCR5-Korezeptor. Einsatz nur beim
höhtes Risiko für Infektionen, erhöhtes Herz-
Nachweis von Viren, die über den CCR5- und nicht
über den CXCR4-Rezeptor in die Zelle eintreten; vor
Einsatz ist daher ein sog. Tropismus-Test (Blutab-nahme) erforderlich. Nur in den USA, (noch) nicht in Europa für die Ersttherapie zugelassen
Integrase-Inhibitoren
Isentress® Kombinationspräparate
Atripla® Antiretrovirale Medikamente auf einen Blick Handelsname Wirkstoff Abk Nebenwirkungen1 Besonderheiten Therapie- nahme/ beginn Nahrung? Tag
Wird in Studien auch als Prä-Expositions-Prophylaxe
Booster (Wirkverstärker für antiretrovirale Medikamente) Norvir®
RTV Übelkeit, Erbrechen, Durchfall. In niedriger
Proteaseinhibitor. Blockt ein Leberenzym, das Medi-
kamente abbaut (CYP 3A4). Wird nur noch in niedri-
wirkungen. Allerdings durch Blockierung des ger Dosierung (100 oder 200mg) zur Verstärkung
(boosting) anderer Proteaseinhibitoren eingesetzt.
Zählt in der ART nicht als eigenes Medikament.
Antiretrovirale Medikamente, die nicht auf der Liste sind: Hivid® (Zalcitabin)
ein NRTI, wurde aufgrund des Nebenwirkungsspektrums (Nervenschäden) nicht mehr eingesetzt und 2006 vom Markt genommen.
Fortovase® (Saquinavir)
ein Proteaseinhibitor, wurde als ungeboostete Formulierung von Saquinavir seit 2006 nicht mehr verwendet und durch Invirase® ersetzt.
Rescriptor® (Delavirdin)
ein NNRTI, ist nur in den USA zugelassen und wird in Deutschland extrem selten eingesetzt (muss dann importiert werden).
Agenerase® (Amprenavir)
ein Proteaseinhibitor, wurde durch die Nachfolgersubstanz Telzir® (Fosamprenavir) abgelöst.
Fußnoten 1 Nebenwirkungen: Die Liste folgt den in den Europäischen Leitlinien (EACS) benannten relevanten Nebenwirkungen. Enthält keine vollständige Auflistung und verzichtet auf
nur kurzfristig nach Therapiestart auftretende Nebenwirkungen (wie z.B. Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit).
Häufige Nebenwirkungen sind fett, seltene aber schwerwiegende Nebenwirkungen kursiv dargestellt. Die Europäischen Therapieleitlinien werden von der Therapiebeginn: In den Europäischen Therapieleitlinien als 1. Wahl oder 2. Wahl zum Therapiestart empfohlene Medikamente. Bei Invirase® wird nur die zweimal tägliche
Einnahme als 1. Wahl empfohlen, die einmal tägliche Gabe gilt als 2. Wahl. Atripla® ist –obwohl die Einzelsubstanzen als 1. Wahl empfohlen werden- nicht für die ersten
Monate nach Therapiestart zugelassen, sondern erst, wenn die Viruslast für 3 Monate unter der Nachweisgrenze liegt.
3 Lipoathrophie:
Schwund des Unterhaut-Fettgewebes, v.a. im Gesicht, den Armen und den Beinen
4 Laktatazidose: Übersäuerung des Blutes mit Milchsäure, ggf. mit Organversagen. 5 Pankreatitis: Bauchspeicheldrüsenentzündung
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