• Neue Juristische Wochenschrift • 2002 • Heft 3 • Rechtsprechung • Zivilgerichte • BGH • BGH: Umverpacken von Arzneimitteln - Adalat
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BGH: Umverpacken von Arzneimitteln - Adalat NJW 2002, 221
Umverpacken von Arzneimitteln - Adalat
Wird im Zusammenhang mit dem Parallelimport von Arzneimitteln einer Originalpackung ein Beipackzettel in deutscher Sprache eingefügt, ein Aufkleber auf der Originalverpackung aufgebracht und zusätzlich eine Bündelung zweier derart behandelter Originalpackungen mittels einer Klarsichtfolie vorgenommen, liegt ein „Umverpacken” im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Slg. 1996, I-3457 = NJW 1997, 1627 = EuZW 1996, 526 = GRURInt 1996, 1144 = LM H. 8/1997 MarkenRL Nr. 2 B - Bristol-Myers Squibb) und des BGH (vgl. zuletzt BGH, NJW-RR 2001, 978 = GRUR 2001, 422 [423] = LM H. 7/2001 § 24 MarkenG Nr. 5 - Zocor) vor, so dass sich der Markeninhaber derartigen Importen i.S. von § 24 II MarkenG widersetzen kann, sofern nicht der Parallelimporteur die ihm nach der vorerwähnten Rechtsprechung obliegenden Bedingungen erfüllt, insbesondere durch die (neue) Aufmachung des Arzneimittels der Ruf der Marke nicht geschädigt wird.
BGH, Urteil vom 29. 3. 2001 - I ZR 263/98 (LG Frankfurt a.M.)
Zum Sachverhalt:
Die Kl. vertreibt über eine Tochtergesellschaft die Arzneimittel „Adalat” und „Aspirin”. Sie ist Inhaberin entsprechender Marken. Die Bekl. führt das Arzneimittel „Adalat” im Wege des Parallelimports aus Spanien nach Deutschland ein und vertreibt es hier. Dabei stapelt sie je zwei Originalpackungen à 50 Kapseln übereinander und umwickelt diese mit einem Streifen Klarsichtfolie, auf dem die Angabe „100 Kapseln N 3” angebracht ist. Die beiden Einzelpackungen versieht die Bekl. mit deutschsprachigen Aufklebern, die insbesondere die Angabe „N 2” tragen; außerdem legt sie den Einzelpackungen deutschsprachige Beipackzettel bei. In entsprechender Weise verfährt die Bekl. mit dem Arzneimittel „Aspirin”, das sie in Originalpackungen à 20 Brausetabletten aus Belgien importiert und in Deutschland in Bündelpackungen mit dem Hinweis „40 Brausetabletten N 3” vertreibt.
Die Kl. hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, Arzneimittel in ihrer Original-Verpackung nach Deutschland zu importieren und je zwei Packungen zu einer „Großpackung” zusammenzufassen und in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreiben, wenn diese „Großpackung” in der Weise gestaltet wird, dass
• -lediglich zwei Packungen übereinandergestapelt und dieser Stapel mit einem
durchsichtigen ca. 2,5 cm breiten Folienstreifen umwickelt wird, und/oder
• -auf der „Großpackung” nicht angegeben wird, von wem das Arzneimittel umgepackt
• -nicht deutlich sichtbar angegeben wird, wer Hersteller des Arzneimittels ist, und/oder • -auf der gebildeten „Großpackung” unterschiedliche Größenangaben zu erkennen sind.
Das LG hat die Klage abgewiesen. In dem durch die (Sprung-)Revision der Kl. eröffneten Revisionsverfahren hat die Bekl. die Klageanträge teilweise anerkannt, nämlich soweit sie sich auf die Angabe des Umpackers (Spiegelstrich 2) und die Herstellerangabe (Spiegelstrich 3) beziehen und es um geschützte Marken von Unternehmen der B-AG und mit dieser i.S. von § 15 AktG verbundener Unternehmen sowie den Import aus der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum geht. Die Kl. beantragt insoweit Anerkenntnisurteil und verfolgt bezüglich der Stapelung mittels Folienstreifen (Spiegelstrich 1) und der unterschiedlichen Größenangaben (Spiegelstrich 4) ihre Klageanträge weiter. Die Bekl. beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Aus den Gründen:
Die Bekl. ist - unter Aufhebung des angefochtenen Urteils in diesem Umfang - ihrem Anerkenntnis entsprechend zur Unterlassung zu verurteilen (§§ 301, 307 I ZPO). Obwohl der Wortlaut der entsprechenden Klageanträge weiter reicht als die ausgesprochene Verurteilung, liegt eine teilweise Klagerücknahme nicht vor. Die Klageanträge waren, wie dem Klagevorbringen entnommen werden konnte und wie die Revision in der mündlichen Verhandlung auch klargestellt hat, dahin zu verstehen, dass die Kl. die Verurteilung der Bekl. nur in dem nunmehr ausgesprochenen Umfang erstrebte.
Die nunmehr nur noch die Klageanträge bezüglich der Stapelung und der unterschiedlichen Größenangaben betreffende Revision hat Erfolg. Sie führt auch im weiteren Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.
I. Das LG hat eine Verletzung der Marken der Kl. durch die angegriffenen Handlungen der Bekl. verneint, weil die Markenrechte erschöpft und die Voraussetzungen des § 24 II MarkenG nicht gegeben seien. Dazu hat es ausgeführt:
Die strengen Grundsätze des EuGH zur Zulässigkeit des Parallelimports umgepackter Arzneimittel fänden im Streitfall keine Anwendung. Sämtliche dazu bisher ergangenen Entscheidungen hätten Sachverhaltsgestaltungen betroffen, bei denen Originalware in eine neue äußere Verpackung gegeben oder der Inhalt einer Originalverpackung verändert worden sei. Hierzu habe der EuGH entschieden, dass zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs Markenrechte zurückstehen müssten. Im Ausgleich dafür, dass in derartigen Fällen dem Importeur Befugnisse eingeräumt würden, die an sich dem Markeninhaber vorbehalten seien, würden dem Importeur im Interesse des Markeninhabers Auflagen gemacht. Darüber hinaus habe der EuGH entschieden, dass das Umpacken nur als äußerste Maßnahme zulässig sei, wenn andere, das Markenrecht weniger berührende Möglichkeiten zur Herstellung im Einfuhrstaat vertriebsfähiger Packungen nicht bestünden. Für derartige weniger einschneidende Maßnahmen habe der Gerichtshof keine vom Parallelimporteur zu erfüllenden zusätzlichen Erfordernisse aufgestellt. Die beim Umpacken vorausgesetzten Anforderungen ließen sich auch auf den Fall der Bündelung mehrerer Originalpackungen nicht übertragen, weil hierbei die Originalpackungen beibehalten würden und allein von der vorgenommenen Bündelung keine erhöhte Gefahr für die Garantiefunktion der Marke ausgehe.
BGH: Umverpacken von Arzneimitteln - Adalat(NJW 2002, 221)
Auch unabhängig hiervon könne sich die Kl. nicht mit Erfolg auf § 24 II MarkenG berufen, weil ihr berechtigte Gründe, sich den angegriffenen Handlungen zu widersetzen, nicht zur Seite stünden. Die Änderungen, die die Bekl. an den Originalpackungen vorgenommen habe (Aufkleber, Beipackzettel), stellten keinen Eingriff in das Kennzeichnungsrecht dar. Auch die Art und Weise, wie die Bekl. die Originalpackungen zu einer „N 3-Packung” zusammengefasst habe, berühre das Kennzeichnungsrecht der Kl. nicht. Den Ausführungen des OLG Frankfurt a.M. im vorangegangenen Verfahren der einstweiligen Verfügung (OLG Frankfurt a.M., WRP 1998, 634 [635]), wonach die Generalklausel der „berechtigten Gründe” allgemein den Zweck habe, die grundlegenden Belange des Markenschutzes mit denen des freien Warenverkehrs im Gemeinsamen Markt in Einklang zu bringen, sei beizutreten. Das OLG hat insoweit ausgeführt, die vorzunehmende Interessenabwägung falle hier zu Gunsten der Bekl. aus. Sie habe ein schützenswertes Interesse an der Vornahme der Bündelung zu Packungen der Größe „N 3”, weil der Kauf einer „N 3-Packung” für den deutschen Kassenpatienten wegen der inländischen Zuzahlungsbestimmungen wesentlich kostengünstiger sei als der Kauf von zwei „N 2-Packungen” und weil andererseits die Kl. die „N 3-Packungsgröße” in den Ländern, aus denen die Bekl. die Arzneimittel importiere, nicht anbiete. Es komme hinzu, dass sich die Kl. nach der Rechtsprechung des EuGH dem Vertrieb eines parallel importierten Arzneimittels in einer neuen äußeren Verpackung jedenfalls dann widersetzen könne, wenn es dem Importeur möglich sei, unter Beibehaltung der Originalpackung eine im Einfuhrstaat verkehrsfähige Packung zu schaffen. Im Hinblick darauf könne man in einer Bündelpackung der angegriffenen Art das mildere Mittel gegenüber der Herstellung einer neuen Umverpackung sehen.
II. Soweit die Beurteilung des LG im Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, hält sie der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Nach § 14 II Nr. 1 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt. Diesen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht die Bekl. dadurch, dass sie die in Spanien bzw. Belgien mit Zustimmung der Markeninhaberin in den Verkehr gebrachten Präparate „Adalat” und „Aspirin” nach Deutschland importiert und hier nach Vornahme bestimmter Veränderungen anbietet und vertreibt (§ 14 III Nrn. 2 u. 4 MarkenG). Der markenrechtliche Schutz entfällt zwar, wenn das Markenrecht erschöpft ist (§ 24 I MarkenG). Die Markeninhaberin kann sich aber im Streitfall aus berechtigten Gründen der Benutzung ihrer Marken im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren durch die Bekl. widersetzen (§ 24 II MarkenG).
a) Die Bestimmung des § 24 MarkenG beruht auf der entsprechenden Regelung in Art. 7 der Markenrechtsrichtlinie. Die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH ist zur Auslegung des § 24 MarkenG heranzuziehen. Danach ist, wie der BGH zuletzt in seinem Urteil vom 19. 10. 2000 (NJW-RR 2001, 978 = GRUR 2001, 422 [423] = LM H. 7/2001 § 24 MarkenG Nr. 5 = WRP 2001, 549 - Zocor) unter Hinweis auf die einschlägigen Urteile des EuGH entschieden hat, die Erschöpfung des Rechts aus einer Marke in den Fällen des Re- oder Parallelimports von fünf Bedingungen abhängig: (1) Die Geltendmachung der Rechte aus der Marke dient erwiesenermaßen nicht einer künstlichen Abschottung der Märkte. (2) Der
Originalzustand des Arzneimittels, zum Beispiel in der Blisterpackung, wird von den Veränderungen, die der Importeur oder sein Lieferant vornimmt, nicht berührt, was auch mittelbar dadurch geschehen kann, dass ein neuer Beipackzettel lückenhaft ist oder unrichtige Angaben enthält. (3) Auf der Verpackung müssen sowohl das die Umverpackung vornehmende Unternehmen als auch der Hersteller genannt sein. (4) Das umgepackte Arzneimittel darf nicht so aufgemacht sein, dass der Ruf der Marke geschädigt wird. (5) Der Importeur muss den Markeninhaber vorab vom Feilhalten des umgepackten Arzneimittels unterrichten und ihm auf Verlangen ein Muster liefern. Diese zuletzt genannte Voraussetzung soll den Markeninhaber in die Lage versetzen, nachzuprüfen, ob die vom EuGH im Übrigen aufgestellten Voraussetzungen einer Erschöpfung vorliegen oder nicht (BGH, NJW-RR 2001, 978 = GRUR 2001, 422 [423] = LM H. 7/2001 § 24 MarkenG Nr. 5 = WRP 2001, 549 - Zocor, m.w. Nachw.).
b) Zu Unrecht hat das LG diese zum Umverpacken von Arzneimitteln entwickelten Grundsätze auf die Sachverhaltsgestaltung im Streitfall nicht angewendet. Auch hier geht es darum, dass ein Beipackzettel in deutscher Sprache eingefügt, ein Aufkleber auf die Originalverpackungen aufgebracht sowie zusätzlich eine Bündelung zweier Originalpackungen vorgenommen wird. Der Umstand, dass in der Rechtsprechung des EuGH nur der Fall des Umpackens in einen neuen Umkarton behandelt ist, hat allein darin seine Ursache, dass in den zu Grunde liegenden Streitfällen jeweils eine Um- oder Neuverpackung in einen neuen Umkarton des parallel- oder reimportierten Präparats in Rede gestanden hatte. Auf derartige Fälle kann die Rechtsprechung des EuGH jedoch nicht beschränkt werden. Aus den Entscheidungsgründen wird vielmehr deutlich, dass eine der typischen Gefahren, die das Umverpacken für den Hersteller mit sich bringen kann, auch darin liegt, dass im Zuge der Anpassung der Ware an die Bedürfnisse des Absatzmarkts unvollständige oder unrichtige Beipackzettel verwendet werden (EuGH, Slg. 1996, I-3457 = NJW 1997, 1627 = GRURInt 1996, 1144 [1149 Rdnr. 65] = EuZW 1996, 526 = LM H. 8/1997 MarkenRL Nr. 2b - Bristol-Myers Squibb; Slg. 1996, I-3603 = NJW 1997, 1632 L = EuZW 1996, 532 = LM H. 8/1997 MarkenRL Nr. 2a = WRP 1996, 867 [873 Rdnr. 56] - Eurim-Pharm; BGH, NJW-RR 2001, 978 = GRUR 2001, 422 [423] = LM H. 7/2001 § 24 MarkenG Nr. 5 = WRP 2001, 549 - Zocor).
Die Kl. kann sich danach für ihr Begehren auf berechtigte Gründe i.S. von § 24 II MarkenG berufen. Die in diesem Zusammenhang vom LG ausgesprochene Bezugnahme auf die „Öffnungshinweis”-Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1981 (BGHZ 82, 152 = NJW 1982, 700 = LM § 15 WZG Nr. 48) greift nicht durch. Der dort für die damalige Rechtslage nach dem Warenzeichengesetz aufgestellte Grundsatz, das Hinzufügen eines rückübersetzten Beipackzettels berühre die Garantiefunktion des Warenzeichens nicht (BGHZ 82, 152 [157f.] = NJW 1982, 700 = LM § 15 WZG Nr. 48), kann, wie der BGH - nach Erlass des angefochtenen Urteils - bereits entschieden hat, nach dem In-Kraft-Treten des Markengesetzes für das neue Recht nicht aufrechterhalten werden (BGH, NJW-RR 2001, 978 = GRUR 2001, 422 [423] = LM H. 7/2001 § 24 MarkenG Nr. 5 = WRP 2001, 549 - Zocor).
2. Demnach können der Kl. die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 14 II Nr. 1 und IV MarkenG zustehen, wenn die Bekl., was das LG bisher - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft hat, die nach der Rechtsprechung des EuGH und des Senats oben näher angeführten Voraussetzungen, so wie die Kl. sie zum Gegenstand ihrer Klageanträge gemacht hat, nicht erfüllt hat. Das LG wird deshalb die noch im Revisionsverfahren verbliebenen, von der Kl. einzeln geltend gemachten Sachverhaltsvarianten darauf zu überprüfen haben, ob sie die vom Gerichtshof aufgestellten Voraussetzungen, die kumulativ gegeben sein müssen, erfüllen. Dabei wird es insbesondere
darauf ankommen, ob die Anträge eine Aufmachung beschreiben, die geeignet ist, den Ruf der Marken der Kl. zu schädigen.
Anm. d. Schriftltg.:
S. zur so genannten Umverpackung auch OLG Hamburg, GRUR 2001, 427 u. 431; OLG Frankfurt a.M., GRUR 2000, 1068, und OLG Köln, NJWE-WettbR 1998, 6.
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